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006 – Risikobeurteilung & CE-Kennzeichnung Teil 4.

006 – Risikobeurteilung & CE-Kennzeichnung Teil 4.

Der Podcast mit Herrn Michael Reimold und Matthias Schulz zum Thema Risikobeurteilung & CE-Kennzeichnung.

Risikoeinschätzung

Gerne möchten wir Ihnen das Thema Risikoeinschätzung näherbringen.

Die Risikoeinschätzung ist der dritte Schritt der fünf Schritte zur Risikobeurteilung (Grenzen festlegen, Gefährdungsermittlung, Risikoeinschätzung, Risikobewertung und Lösungsfindung).

Wie wahrscheinlich ist es, dass eine Gefährdung eintritt?

Die Wahrscheinlichkeit unterteilt man heute meist in drei Unterfaktoren:

  • Wie oft man in dieser Situation ist.
  • Die Plausibilität des Ereignisses, also die Eintretenswahrscheinlichkeit.
  • Inwieweit man die Möglichkeit hat, eine Gefährdung selbst zu erkennen.

Wie viel Zeit hat man eine Gefährdung zu erkennen?

Wenn man beispielsweise am Bahnhof zu Nah an der Bahnsteigkannte steht und der Zug fährt ein, stellt sich die Frage ob man wirklich noch ausweichen kann. Das ist die Frage nach der Reaktionsgeschwindigkeit des Menschen und der Geschwindigkeit mit der die Gefährdung auftritt.

Inwieweit löst eine Person eine Gefährdung selbst aus?

Wenn man sich eine Handbohrmaschine vorstellt, dann könnte man seine Hand zwischen Bohrer und Wand platzieren, daran hindert einen nichts außer der eigene Verstand, man muss jedoch auch noch selbst abdrücken. Das heißt dass bei den ganzen handgesteuerten Einrichtungen stellt sich auch die Frage wer die Gefährdung auslöst. Wenn es der Bediener selbst ist hat er die Möglichkeit diese zu vermeiden.

Was sind die Faktoren der Risikoeinschätzung?

Das Risiko wird also von der Schwere der Verletzung (leichte Verletzungen und schwere Verletzungen), die Häufigkeit und die Dauer, mit der eine Person anwesend ist, menschliche Faktoren (Erfahrung, Stresssituation, usw.) und Erkennbarkeit der Gefährdung sowie genug Zeit und Möglichkeiten auszuweichen. Die DIN EN ISO 12100 beschreibt diese Faktoren sehr ausführlich und ist einer der Teile der Norm der auch besonders gut verständlich ist. Die 12100 enthält jedoch kein System mit dem man die Einschätzung quantifizieren könnte. Das Risiko ist eine Sache des Schätzens und lässt sich nicht berechnen, daher sollte man auch nicht so streng vorgehen und mit maßgenauen Zahlen arbeiten wollen, auch wenn das besonders einem Konstrukteur schwerfallen mag.

Gibt es eine Stelle an die man sich wenden kann um Unfalldaten für die Wahrscheinlichkeitsrechnung eines Risikos zu erhalten?

Dafür bieten sich die Berufsgenossenschaften an, hier gibt es jedoch nur auswertbares Informaterial für standardisierbare Maschinen – beispielsweise Werkzeugmaschinen, Pressen, Drehmaschinen, Fräsmaschinen, Bearbeitungszentren, … aber die Bereitschaft die Statistiken zu erhalten ist nicht sehr hoch. Was jedoch gerne angefragt werden kann sind Informationen dazu welche Situationen zu welcher Art von Verletzung geführt haben. Einige Hersteller haben inzwischen jedoch ihre eigenen Statistiken, weil diese begonnen haben Unfallberichte zu sammeln, standardisieren und auszuwerten – dies empfiehlt sich besonders für Hersteller von Serien.

Wo könnte man sonst noch Informationen erhalten?

Als Mitglied der VDW (Verband der Werkzeugmaschinenhersteller) könnte man zusätzliche Informationen erhalten, diese werden seit 2012 gesammelt. Inzwischen gibt es da auch sogenannte VDMA/VDW Einheitsblätter zum Thema Problematik in denen die gesammelten Unfallzahlen der Hersteller stehen. Verbandsarbeit kostet natürlich, es hat ehrenamtliche sowie hauptamtliche Mitarbeiter die bezahlt werden müssen, daher werden die Informationen auch für die Mitglieder bereitgehalten die bereit sind dafür zu bezahlen.

Was sind die Faktoren der Risikoeinschätzung?

Die bekannteste ist die DIN EN ISO 13849, die mit drei Risikoelementen arbeitet (Verletzungsschwere, Häufigkeit und Aufenthaltsdauer und Möglichkeit zur Vermeidung von Gefährdungen), dazu gibt es eine Auswertegrafik die letzten Endes 5 Risikostufen ermittelt.

Eingeteilt ist sie in die Buchstaben A-E (A – geringes Risiko, B – mäßiges Risiko, C – mittleres Risiko, D – hohes Risiko und E – sehr hohes Risiko). Ursprünglich wurde sie erfunden um die Zuverlässigkeit von sicherheitsbezogenen Steuerkreisen zu ermitteln und heute kann sie auch eigesetzt werden um die Risikoeinschätzung allgemein zu machen.

Empfehlenswert ist noch eine zweite Methode die ebenfalls aus der Steuerungstechnik kommt, diese wird im Anhang A der EN 62061 beschrieben. Vorteil dieser Methode ist, dass sie feiner abgestufte Kriterien hat, für die Verletzungsschwere beispielsweise gibt es statt zwei gleich vier Kriterien. Besonders interessant ist, dass man bei den schweren Verletzungen zwischen Hand-/Armverletzungen und Verletzungen, die größere Körperteile nach sich ziehen oder den Tod zur Folge haben könnten, unterscheidet. Diese Methode kann auch gerne zur Überprüfung nach Verwendung der ersten Methode herangezogen werden.

Was sind Vorher-/Nachherrisikoeinschätzungen?

Viele glauben, dass sie eine Einschätzung immer zwei Mal durchführen müssten – einmal ohne eine Maßnahme für die Situation. Dies wird getestet und entsprechend wird vielleicht eine Lösung gesucht und nun denkt man, dass dies noch einmal mit der vorhandenen Lösung eingeschätzt werden müsste da die Frage aufkommt was sich an der Gefahrensituation verändert.

Nirgends wird in der Normung verlangt, dass man Nachherrisikoeinschätzungen durchführen müsste, insbesondere nicht bei der Steuerungstechnik. Wenn hier beispielsweise ein Performancelevel D ermittelt wird und bei der Einschätzung tatsächlich erreicht wird, gilt dass dies einander ausgleicht somit muss keine Nacherrisikoeinschätzung mehr durchgeführt werden, zudem muss man mit diesen sehr vorsichtig umgehen da man beachten muss welcher der erwähnten Faktoren zum aufkommen dieser Gefahr geführt hat.

Es gilt dennoch zu prüfen welche zusätzlichen Gefahren möglicherweise aufgrund einer Lösung aufkommen könnten.

Auf unserer Webseite finden Sie ein Beispiel einer Zerkleinerungsmaschine die anhand der 62061 eingeschätzt wurde.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare
  1. Hallo, ich habe das Buch Risikobeurteilung Gefahren von Herr Schulz gelesen. Es steht dort im Zusammenhang mit den Gefährdungen, dass das Risiko bei sensorischen Schutzeinrichtungen oder trennenden Schutzeinrichtungen usw. zwingend während bei den anderen Gefährdungen nicht unbedingt erforderlich ist. Ist das richtig? Vielen Dank!

    1. Guten Tag und vielen Dank für Ihren Kommentar!
      Bitte entschuldigen Sie die verspätete Reaktion – ich war leider krank.
      Die Risikoeinschätzung ist Schritt 3 nach der Maschinenrichtlinie Anhang I Einleitung. Daher muss das Risiko eingeschätzt werden. Die Frage ist nur, ob dies in jedem Fall detailliert dokumentiert werden muss. Das würde ich verneinen. Denn in der Liste von Inhalten zur Dokumentation von Risikobeurteilungen in Anhang VII erscheint gerade die Risikoeinschätzung nicht. In vielen Fällen genügt es, sich zu überlegen, ob die Verletzungsschwere hoch ist (irreversible Verletzungen, von denen man nicht/nicht vollständig gesund wird). Ist das der Fall, wird man immer nach einer Lösung suchen. Für solche Fälle ist es recht irrelevant genau zu wissen, wie hoch das Risiko ist. Im Vordergrund sollte dann stehen, eine möglichst optimale und normgerechte Lösung zu finden.
      Anders ist es bei steuerungstechnischen Schutzmaßnahmen. Hier ist die Risikoeinschätzung die Basis für die Festlegung des sog. PLr, des geforderten Perfomance Levels (Zuverlässigkeitsniveau der Steuerungsfunktion.)
      Weitere Erläuterungen enthält auch einer unser Podcasts zur Risikobeurteilung (Teil 4).
      Mit freundlichem Gruß
      Matthias Schulz

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