Der Podcast mit Herrn Michael Reimold und Matthias Schulz zum Thema Risikobeurteilung & CE-Kennzeichnung. Heute direkt von der Insel Mallorca.
In diesem Podcast geht es um die systematische Erarbeitung der Risikobeurteilung zur CE-Kennzeichnung mit der 5-Schritte Methode aus der EN ISO 12100. Zuerst werden die Grenzen der Maschine festgelgt. Wozu soll die Maschine (Verwendungszweck) und von wem soll die Maschine benutzt werden. Klimatische Randbedingungen, die Grenzen des Produktes festlegen bzw. festhalten. Usw.
Risikobeurteilung
Wen wollen wir mit dem Thema Risikobeurteilung erreichen?
Erreichen wollen wir Ingenieure, Konstrukteure und genauso auch Redakteure. Was wir festgestellt haben ist, dass der Redakteur ein wenig zum „Verwalter“ im Unternehmen geworden ist, oftmals haben sie Methodenwissen welches in den Abteilungen die Ihnen eigentlich zuarbeiten sollten, nicht vorhanden ist und wenn sie dieses Methodenwissen einbringen, dass sie irgendwo (Seminare, Tekom, sich selber was anlesen, …) erlangt haben dann sollten sie das im Unternehmen teilen, das wäre ein schönes Ziel, genauso wie wir hier versuchen unser Wissen zu teilen. Wir sind überzeugt, dass dieses Thema Freude machen kann.
Im Dezember 2016 haben wir die erste Episode via Skype zu diesem Thema produziert und diese heute nochmals geprüft, sowie in einem Blog veröffentlicht. Aufgeteilt wurden sie in zwei bis drei Folgen. Damals ging es um die EN ISO 12100 Kapitel 5, die fünf Schritte der Risikobeurteilung, daran wollen wir nun anknüpfen.
Wie arbeitet man in einer Risikobeurteilung systematisch?
Dazu dient eine Übersicht mit 5 Schritten.
1. Schritt: Die Grenzen des Produktes oder der Maschine festlegen, das heißt man soll festlegen wozu und von wem diese genutzt werden soll, in welchen Zusammenhängen und unter welchen Randbedingungen (z.B. klimatisch – auch von der Örtlichkeit her).
Der 2.Schritt ist dann tatsächlich innerhalb dieser Grenzen zu ermitteln, welche Gefährdungen und welche Gefährdungssituationen auftreten können. Das heißt wir fragen nicht einfach nur welche Gefahren (zum Beispiel quetschen, Scheren, heiße Teile, …) das bergen könnte, sondern wir fragen uns was der Nutzer mit dem Produkt macht und inwieweit das was er macht gefährlich wird. Wir legen also die Arbeitsschritte die er nach und nach durchführt fest und das, was die Maschine ihrerseits tut.
Ein einfaches Beispiel dafür ist eine Kettensäge. Wenn man einen Baum fällen möchte, dann tut die Säge etwas, sie treibt die Kette an und erzeugt die Kräfte, die nötig sind um den Baum umzusägen – aber der Mensch muss auch was tun. Er muss diese nämlich ansetzen, sie korrekt führen, die Situation beobachten. Aus diesem direkten Zusammenwirken von Mensch und Maschine wachsen diverse Gefährdungen, die sich realisieren können und sehr schwere Verletzungen verursachen könnten. Wir ersuchen also systematisch die Gefährdungen – im besten Fall nach den Lebensphasen und Aufgaben, das heißt dass man das ganze „Produktleben“ durchgeht. Von dem Transport, über das Erreichen des Aufstellorts, zur Installation, dann der Probebetrieb, zum normalen Betrieb (bei komplexeren Maschinen in verschiedenen Betriebsarten).
Was sind nebengeordnete Lebensphasen?
Nebengeordnete Lebensphasen sind z.B. die Wartung oder auch eine ganz besonders schwierige Lebensphase – Störungen, unerwartete Ereignisse – diese können sehr gefährlich sein, genauso wie die Beseitigung von Störungen.
Was sind nachgeordnete Lebensphasen?
Nachgeordnete Lebensphasen sind z.B. Demontage, Entsorgung/Verschrottung.
Ist die Einteilung in Lebensphasen nicht veraltet?
Die Einteilung in Lebensphasen wurde früher als untergeordnete Möglichkeit angesehen. Heute ist dies jedoch bindend und in Normen festgeschrieben, da die Maschinenrichtlinie selbst schon seit 2006 erwähnt, dass der gesamte Produktlebenszyklus für die Sicherheit des Kunden berücksichtigt werden muss. Also ist sie heute definitiv verbindlich, trotzdem gibt es verschiedene Ansätze (Gefährdungslistenbasiert und Lebensphasenaufgabenbezogen), die wir Ihnen noch näher erläutern werden. Die Arbeit mit Lebensphasen verstärkt auch die Vorstellung über die einzelnen Schritte – selbst für jemanden der nicht so tief in der Materie ist.
Brauche ich als Hersteller eine Risikobeurteilung, wenn die Maschine intern genutzt wird?
Eine Risikobeurteilung wird beim Bau innerhalb des Herstellerunternehmens nicht benötigt, da dies rechtlich ein anderer Bereich für die Arbeitssicherheit beim Hersteller ist.
Was gilt für eine gute Beurteilung?
Umso systematischer eine Risikobeurteilung gemacht wird, desto besser und desto weniger wird übersehen. Es bringt natürlich nichts, eine Risikobeurteilung zu machen und dann vielleicht 30% der ohne weiteres erkennbaren Gefährdungen zu übersehen, einfach nur, weil die Methode mit der man arbeitet nicht passt, was sehr schade wäre.
Wie funktioniert die Risikobeurteilung?
Es beginnt mit folgendem Problem: Was ist der Unterschied zwischen Risiko und Risikogefährdung? Die meisten würden sich denken, dass dies ein Synonym ist, was aber in der Technik nicht wirklich der Fall ist. Risiko ist eine Aussage darüber, wie gravierend eine Gefährdungssituation ist, dazu stellen sich zwei Fragen, die erste ist: Was ist die schlimmste mögliche Folge? Die Kettensäge schlägt zurück – schwerste mögliche Folge: schwere Körperverletzung, Verlust von Körperteilen, Tod.
Sachschäden interessieren uns natürlich auch, aber im Rahmen der Risikobeurteilung in einer CE-Kennzeichnung sind diese jedoch zweitrangig.
Der zweite Aspekt ist: Wie wahrscheinlich ist es, dass die Gefährdung eintritt und es tatsächlich zu solchen Verletzungen oder einer solchen negativen Folge kommt? Diese beiden Aspekte machen das sogenannte „Risiko“ aus.
Es gibt verschiedenste Risikoeinschätzungsmethoden, die meistens mit Zahlenwerten arbeiten, grundsätzlich gilt: Risiko ist das Produkt aus Folgen, Schwere der Folgen/des Schadens und Eintretenswahrscheinlichkeit.
Dafür versucht man mit verschiedenen Skalierungen sogenannte Risikoindexe zu erzeugen. Was ist der Zweck? Durch die Risikoeinschätzung soll man ein Gefühl dafür bekommen wie Ernst die Gefährdung die man gerade entdeckt hat ist und das soll letzten Endes Entscheidungen darüber vorbereiten, was man jetzt tun muss – Kann man das Produkt so lassen, obwohl ein hohes Risiko vorliegt oder muss man irgendwelche Maßnahmen ergreifen, um das Risiko zu mindern/zu beseitigen?
Schritt drei wäre nun – um beim Beispiel zu bleiben – wenn die Kettensäge beim Sägen zurückschlägt und somit eine unkontrollierte Situation verursacht wird – sie fliegt aus der Hand, sie schlägt einen selbst oder jemanden der in der Nähe steht und verletzt diesen empfindlich, sich dann zu fragen was das Risiko dieser Gefährdungssituation ist, die Risikoeinschätzung.
Das führt zum vierten Schritt, die Risikobewertung. Bewertung – vom Wortsinn „den Wert feststellen“. Ein Risiko stellt keinen wirklichen Wert dar, es ist eigentlich etwas was man nicht haben will. „Bewerten“ hieße in diesem Zusammenhang zu entscheiden ob das Risiko vertretbar ist, man es also so lassen kann oder ob etwas dagegen getan werden muss. Diese Entscheidung war mal und ist für die Zukunft eine große. Solche Entscheidungen zu treffen sind schwerwiegend und für den einzelnen Ingenieur fast nicht tragbar – in der Summe, wenn sich ein ganzes Unternehmen dranhängt und auch ein Sicherheitsapparat ist dies anders.
Wann ist denn genug Sicherheit?
Die Antwort auf diese Frage verändert sich ständig und sie hat sich sehr stark verändert seit den 80er-Jahren. Heute wird Produktsicherheit viel ernster genommen, als zuvor und das zeigt sich auch gerade darin, dass man eine Methode wie die Risikobeurteilung anwendet.
Früher hat man nicht unbedingt systematisch versucht ein Produkt sicherer zu machen, man hat noch nicht mal unbedingt über Sicherheit nachgedacht. Andere Dinge standen im Vordergrund.
Die Frage klärt sich auch, wenn man mindestens den Stand der Technik erreicht hat. Der Stand der Technik berücksichtigt den Einsatz (in der Regel auch nur den legalen Einsatz und sogenannte zu erwartende Fehlanwendungen). Bei der Kettensäge ist es vergleichsweise sogar einfach den Stand der Technik zu ermitteln, weil es eine Kettensägen Norm gibt (eigentlich gibt es sogar drei für verschieden große Kettensägen und verschiedene Einsatzzwecke) – Was jetzt das Ziel bei der Risikobeurteilung wäre, ist die eigene Kettensäge mindestens auf die Sicherheit hin zu konstruieren, wie sie wäre, wenn man sie nach der Norm baut.
Was sind C-Normen?
C-Normen sind produktspezifische Normen. Die C-Normen im eigenen Umfeld zu kennen, ist sehr wichtig und es ist extrem wichtig, diese nicht zu ignorieren und uns an der Fortentwicklung solcher Normen zu beteiligen, damit uns dies nicht überrennt.
Wer die Norm hat, hat den Markt, sagt man und es sind leider viel zu wenig kleinere Maschinenbauunternehmen die aktiv einen Anteil an der Normung nehmen oder zumindest durch Kommentierung versuchen darauf einzugehen. Daher noch ein kleiner Aufruf an Maschinenbauunternehmer, Ingenieure oder eben die, die sich hier einklinken können, sich vielleicht mal über die ganz normalen Seiten vom DIN zu ermitteln wer der Verantwortliche Obmann für dieses Normungsgremium in Deutschland ist und hier Kommentierungen einzustellen, wenn die Entwurfsfassungen veröffentlicht sind, so kann man das einfach von der Seite kommentieren und erhält auch Antworten. Viele der Sachen die man kommentiert werden dann auch bei den weiteren Beratungen berücksichtigt. Die Struktur von Normen und Normenrecherche werden wir noch näher erläutern, weil es ein wichtiger Unterschritt ist.
Was ist ein vertretbares Risiko?
Genau da straucheln ganz viele Konstrukteure. Der eine sagt sich bei seiner Risikobewertung, dass die mögliche Folge nicht passieren wird, da wir einen fachlich qualifizierten und erfahrenen Nutzer haben und man nicht unbedingt eine technische Maßnahme bräuchte, ein anderer sagt dass dem so ist, aber man auch unerfahrenes Personal – Anfänger und Menschen vor versehentlichem auslösen von Gefahrensituationen schützen müsste, da sich Nutzer ja nicht unbedingt absichtlich durch eine Fehlanwendung in Gefahr bringen, sondern es ganz oft so ist, dass ausversehen etwas gemacht wird was zum Unfall führt.
Leider können nicht alle Eventualitäten in der Konstruktion eines Produktes berücksichtigt werden, schon gar nicht absichtliche Fehlhandlungen – diese zu berücksichtigen ist sicher ein näheres Ziel, aber immer auf solche Forderungen zu bestehen kann dazu führen, dass die Ingenieure überfordert sind und dann eben gar nichts mehr machen.
Der fünfte Schritt ist aus den Wahlmöglichkeiten, die jetzt den Stand der Technik darstellen eine auszusuchen, also eine Lösung zu finden mit der man das Risiko adequat mindern oder beseitigen kann. Dazu gibt es auch verschiedene Möglichkeiten zum Beispiel die sogenannte Drei-Schritte-Methode, die wir ebenfalls noch näher erläutern werden.
Können Sie mit diesen Infos etwas anfangen? Hilft es weiter? Wenn Sie Fragen oder wünsche bezüglich weiterer Themen haben, dann kontaktieren Sie uns gerne. Wir freuen uns auf Ihre Emails.
Ihr GFT-Team